Die jüngsten Zahlen des Arbeitsmarktes zeichnen ein beunruhigendes Bild. Im Juni 2024 ist die Arbeitslosigkeit um 4.000 auf insgesamt 2.727.000 Personen gestiegen. Diese Entwicklung ist besonders alarmierend, da die Arbeitslosigkeit im Juni üblicherweise sinkt. Saisonbereinigt ist die Zahl der Arbeitslosen sogar um 19.000 im Vergleich zum Vormonat angestiegen. Gegenüber dem Juni des Vorjahres gibt es nun 172.000 mehr Arbeitslose, was die Arbeitslosenquote auf 5,8 Prozent hält – ein Anstieg um 0,3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Wie lässt sich die steigende Anzahl an Arbeitslosen und der zunehmende Fachkräftemangel erklären – und wie können Unternehmen diese Herausforderung bewältigen?
Fachkräftemangel trotz steigender Arbeitslosigkeit
„Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit können gleichzeitig zunehmen“, erklärt Lydia Malin, Fachkräfte-Expertin vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln in einem Bericht der Bild. Der Hauptgrund für dieses Paradoxon liege laut Malin in der Qualifikationslücke: Die Qualifikationen der Arbeitslosen passen häufig nicht zu den Anforderungen der offenen Stellen. Viele Arbeitslose verfügen über keinen berufsqualifizierenden Abschluss, während insbesondere qualifizierte Handwerker, Erzieher und Sozialarbeiter gesucht werden.
Ein Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz betont ebenfalls die Dringlichkeit dieses Problems: „Der Fachkräftemangel wird zunehmend zur Wachstumsbremse für die deutsche Wirtschaft. Besonders stark betroffen sind die Bereiche Gesundheit, Bildung und IT“.
Der Mangel an qualifizierten Fachkräften auf dem Höhepunkt
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) teilt mit, dass es aktuell in Deutschland rund 1,57 Millionen offene Stellen gibt, von denen etwa 700.000 bei der BA selbst gemeldet sind.
Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) sind 53 % der Unternehmen aktuell durch den Fachkräftemangel in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt. Besonders dramatisch ist die Situation im Handwerk, wo zahlreiche Betriebe ihre Aufträge nicht mehr fristgerecht erfüllen können.
Ein Blick auf die aktuellen offenen Stellen in verschiedenen Branchen zeigt, welche Berufe besonders gefragt sind und wo dringender Handlungsbedarf besteht.
Maschinenbau und Mechatronik: Höchster Bedarf an Ingenieuren und Innovationen
Die Industrie verzeichnete im Juni laut BA mit 87.354 offenen Stellen den höchsten Bedarf unter den analysierten Branchen. Besonders im Bereich Maschinenbau und Betriebstechnik (14.530) und in der Kraftfahrzeugtechnik (11.702) ist die Nachfrage nach Fachkräften besonders groß. Verantwortlich dafür sind der rasante technologische Fortschritt und die zunehmende Digitalisierung sein, die ständig neue Entwicklungen und spezialisierte Fachkräfte im verarbeitenden Gewerbe erfordern. Der Übergang zur Industrie 4.0 und die intelligente Vernetzung von Maschinen und Prozessen steigern die Nachfrage zusätzlich.
Aber auch der Einzelhandel sucht dringend nach helfenden Händen und hat nach wie vor mit enorm hoher Fluktuation und fehlen qualifizierte Bewerber zu kämpfen, die den Anforderungen des Marktes nicht gerecht werden. Dies führt dazu, dass viele Stellen über längere Zeit unbesetzt bleiben und gleichzeitig ständig neue Arbeitsplätze entstehen. Besonders im Verkauf (29.493) und Vertrieb (7.259) wird derzeit von deutlichem Personalmangel berichtet.
Der Gesundheitssektor meldet mit 62.958 offenen Stellen einen weiteren enormen Bedarf an Fachkräften, insbesondere in der Gesundheits- und Krankenpflege (10.230) sowie der Altenpflege (9.069). Hauptgründe für den anhaltenden Notstand sind die alternde Bevölkerung, die mehr Pflege und medizinische Betreuung benötigt, und die hohen Arbeitsbelastungen, die zu hoher Fluktuation führen. Zusätzlich verschärfen unzureichende Ausbildungskapazitäten und wachsende Anforderungen an medizinisches Personal den Mangel.
Dringender Fachkräftemangel: Schlüsselbranchen am Limit
Besonders im Gastgewerbe sind 16.999 Stellen unbesetzt – ein deutlicher Nachhall der Pandemie, die viele Fachkräfte in andere Sektoren abwanderte. Auch die Baubranche steht unter Druck, mit 55.198 offenen Stellen, insbesondere in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Der Bedarf an Wohnraum und Infrastruktur treibt die Nachfrage in die Höhe. Die Logistikbranche ist ebenfalls stark betroffen, mit 53.244 unbesetzten Positionen. Der boomende Online-Handel und globale Lieferkettenprobleme verstärken hierbei den Personalmangel.
Diese Entwicklungen verdeutlichen den akuten Fachkräftemangel in zentralen Wirtschaftszweigen und die dringende Notwendigkeit gezielter Maßnahmen zur Gewinnung und Bindung von qualifiziertem Personal.
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